Nicht mehr alle Tassen im …

… Becherhalter? Eine der eigenartigsten Blüten des MSFS treibt gerade auf FlightSim.to aus: seit einem Update des FlyByWire A320N Mods vor einiger Zeit hat man im virtuellen Cockpit nun einen virtuellen Kaffeebecher. Die Community lässt es sich nicht nehmen und kreiert seitdem einen der am schnellsten wachsenden Contents für den MSFS, nämlich Kaffeebechervariationen am laufenden Band.

Nachfolgend eine kleine Stilberatung, welche Becher man sich heutzutage ins Cockpit stellen kann und welche besser nicht:

Beginnen wir mit der Bernie onboard Coffee Cup (von Bodyspike). Hier trifft Internet-Zeitgeist auf politische Aktualität. Der Selbstläufer symbolisiert mehr als alles andere den Übergang von einer politischen Ära zur anderen, ohne jedoch die Pandemie ausser Acht zu lassen. Die politische Eiszeit der USA ist mit diesem Bild beendet. Jeder globetrottende Captain drückt hiermit seine Erleichterung über den Abgang des “dessen Name nicht mehr genannt werden darf”, aus.

 

Starbucks (von MapleCA): geht natürlich gar nicht! Wer in seinem Beruf schon Tonnen von CO² produziert, sollte wenigstens bei der Wahl des Kaffees kompensieren! Wegen unfairem Handel mit Kaffeeerzeugern, Steuervermeidung und dem Müllproblem an sich, steht Starbucks arg in der Kritik. Daher lieber heimlich und nur virtuell trinken.

 

Nestlé steht Starbucks in nichts nach, wenn es darum geht, vollbärtigen Men-Bun-Trägern die Zornesröte ins Gesicht zu jagen. Bei Nesquik (von Watsi) lassen wir jedoch eine infantile Naivität gelten und unterstellen dem Busjockey einfach mal, dass ihm sein kindliches Vergnügen alle Political Correctness schlicht vergessen lässt.

 

Ein totaler Affront ist dieser Becher (von BenBlinding)! Was soll man dazu noch sagen? Geht gar nicht!

 

Keep Calm (von GadGetFPV): Hier paart sich britisches Understatement mit weltmännischer Kontroverse. Wer in einen dermaßen britischen Becher Kaffee statt Tee eingießt, der konterkariert die Grundfeste der ehemals europäischen Insel bis ins Mark. Mehr Hohn kann man den Brexitiers nicht zukommen lassen. Ist so jemand noch in der Lage, Verantwortung im Cockpit zu übernehmen?

 

Gut … *hüstel* (byCrazy88) … was soll man hier noch zu sagen … hoffen wir einfach mal, dass da wirklich Kaffee drin ist.

 

Der EasyJet Kaffeebecher (von JamesKeddie1) zeugt hingegen von einer gewissen Nüchternheit. Mehr als plörrigen Filterkaffee dürfen wir hier nicht erwarten, Milch oder Zucker kosten extra, zudem wird für einen vollen Becher noch ein Aufpreis verlangt. Immerhin spricht dies für eine zielstrebige Sachlichkeit: Kaffee, nichts weiter. Kein Lebensgefühl, keine überteuerten Katzenkackabohnen, keine Schnörkel.

 

Good Old Jack Daniels (von GadgetFPV): hier muss man Vorsicht walten lassen. Denn einerseits könnte die Verpackung halten, was sie verspricht und der Mensch am Knüppel vertraut etwas zu sehr der hohen Automation eines Airbus. Oder der Kapitän kokettiert knochentrocken und spekuliert auf den aufregenden Moment, wenn Papis Gesichtszüge entgleisen (wenn wieder einmal das Minderjährige vor- und gleich weggeschoben wird, damit Papi mal einen Blick ins Cockpit werfen darf) und dieser diesen Becher erblickt. Sowohl vor dem Start als auch nach der Landung dürfte der Mimikwechsel des technikinteressierten Vaters interessant sein. Gleichzeitig dürften sich die Ausführungen des Vaters, dass er ja selbst auch fast fliege, weil er ja ernsthafter Hardcoreflugsimulatorflieger ist, stark verkürzen. Großer Kritikpunkt ist in jedem Fall, dass es sich bei dem abgebildeten Etikett um Massenware aus Übersee handelt. Man hätte – Scherz hin oder her – auch hochwertigere Erzeugnisse aus dem Norden Europas verwenden können.

 

Zeige mir Deinen Kaffeebecher und ich sage Dir, ob ich zu Dir ins Flugzeug steige, besagt ein altes Sprichwort bereits seit Ende des 18. Jhd. Dieser Flugkapitän bekommt unser vollstes Vertrauen mit dem WD-40 Becher (von Pleasure). Denn hier kann kommen, was mag. Der Typ zieht die Flasche und macht die klemmende Turbinenschaufel wieder gangbar – auch auf FL350. Und bei ihm kann man sich auch sicher sein, dass er unterm Sitz genügend Panzertape hat. Aber ist halt ein Airbuspilot. Manch 777 hätte sich so einen in letzter Zeit gewünscht.

 

Generationsübergreifende Verspieltheit symbolisiert der Yoda Coffee Cup (von AcmeZERA). Selbst (oder gerade) als gestandener Captain steht man zu seinen Kindheitsidolen. Immer diszipliniert, immer zuverlässig, immer cool und kontrolliert. Da ist das der kleine Ausreißer, der kleine Wink, der neben Uniform, Sonnenbrille, gelben Streifen und glattrasiertem Kinn einen kontrollierten Kratzer an der aalglatten Fassade zulässt und so den Normalsterblichen wieder ein wenig näher kommt.

 

Zu guter Letzt ist hier unser absoluter Lieblingsbecher! Zeitloses Design, schlichte Eleganz. Typografisch reduziert, farblich zurückhaltend (durch Reduktion des Farbauftrags praktischer Umweltschutz). Hier wird der Bogen gespannt von klassischen Symbolen der frühen Mythologie zur modernen weltumspannenden Mobilität. Die (symbolisierten) Federn seit jeher der Ausdruck von Geschwindigkeiten, schneller als das Licht, um die Botschaften einer höheren Welt unter den Menschen zu verbreiten. Heute verbreiten sich damit die Früchte einer weltumspannenden Kreativgemeinde, die zum Ziel hat, ihre komplett virtuellen (also nicht fassbar, daher annähernd göttlichen) Güter in die Welt der Sterblichen zu tragen. Wir Menschen sind es, die uns laben wollen, nicht satt werden, immer mehr fordern und dem Gott des Marktes huldigen und ihn anflehen, uns immer und immer mehr Nachschub des vergänglichen, nicht greifbaren Nektars digitaler Realitäten zu liefern. Immer transzendenter, anregender präsentiert sich der Gegensatz zur klaustrophobischen Kühlheit einer persiflierten Kombination in reifer Eleganz. Oder lässt es uns im virtuellen Raum in schöpferischer Nacktheit entblöst, trotz aller Differenzen eben nicht? Weil die Manifestation behaglicher Unausgeglichenheit doch trifft. Oder schlumpft es am Ende ebenda überhaupt in seiner Stagnation während es oder auch nicht!

 

Wir hoffen, dieser Leitfaden hilft ein wenig in der Entscheidung, mit welchem Kaffeebecher  der nächste Flug stattfinden soll!

Ein Service von simFlight: die wichtigsten Fragen des Lebens einfach erklärt!

 

 

 

 

12 Comments
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Christjan
Christjan
3 Jahre zuvor

Genialer Ratgeber! 😁

Sascha Normann
Sascha Normann
3 Jahre zuvor

Sehr schöner Artikel! Erinnert mich an die ganz frühen, mit Enthusiasmus geschriebenen Artikeln der FlightXPress (besonders an die meines Lieblingsautoren mit dem italienisch anmutenden Namen – ist mir gerade entfallen). Schön zu sehen, dass wieder Leben in die Bude – äh Community – kommt! 🙂

Patrick F
Patrick F
Beantworten  Sascha Normann
3 Jahre zuvor

Sergio di Fusco ?

Sascha Normann
Sascha Normann
Beantworten  Patrick F
3 Jahre zuvor

Genau der war es, danke! 🙂

Patrick F
Patrick F
3 Jahre zuvor

Zitat: “Eine der eigenartigsten Blüten …” – in meinen Augen totaler Detail-Blödsinn. Da gibt es meines Erachtens Wichtigeres wofür man Speicherplatz auf einem Server belegen sollte. Genauso wie der Unfug mit fiktiven Flugplätzen – da frage ich mich immer : was soll das ?

Will
Will
Beantworten  Patrick F
3 Jahre zuvor

Es gibt immer Einige, die was zu meckern haben. Und genau die sind mit diesem Artikel wohl nicht angesprochen ¯\_(ツ)_/¯

Im übrigen kann sowas der erste Schritt für einen jungen Simmer sein, um in Zukunft an größeren Projekten zu arbeiten. Wenn ich zurückdenke, wie ich damals mit zarten 12 Jahren meinen ersten Flieger im FS2002 bunt bemalt habe und dann Stolz wie Bolle mein Ergebnis im Sim angucken konnte. Und später hab ich den kompletten Paint-Bereich in einer VA übernommen und auch unabhängig davon mit Freeware-Paints, FS-Support, Bug-Reports und Vorschlägen zur Lösung bei Payware-Projekten und Teilnahme an BETA-Tests anderen Simmern helfen und die Community nach vorne bringen können. Aus diesem Grund halte ich einen bunten Kaffeebecher definitiv für alles, aber gerade nicht für “Detail-Blödsinn”.

Und jetzt hop hop zurück mit dir zu deinen 100% ernsthaften, unfugfreien, realistischen und absolut unironischen Einheitskaffeebechern 😉

Danny
Danny
3 Jahre zuvor

Sehr humorvoll geschriebener Artikel 😀 Vielen Dank dafür!

Micha aus dem Süden
Micha aus dem Süden
3 Jahre zuvor

Sowohl die Kaffeebecher-Design-Stilblüten, als auch deren gelungen gehaltvolle kulturanthropologische Reflexion nominiere ich für die UNESCO-Zivilisations-Erbe-Sammlung “Wenn Menschen einfach mal Zeit haben – Kreativität im Corona-Lockdown”.

Ein Leuchten in diesen trüben Tagen! Danke!

Heiko
Heiko
3 Jahre zuvor

Hervorragend! You made my day 😄🤘🛩☕

Tommy
Tommy
3 Jahre zuvor

Leute Ihr seid Spitze. Ich hab mich totgelacht. Der letzte Becher ist der Hammer.

still58
still58
3 Jahre zuvor

Ach ist das herrlich! Toll geschrieben! Danke dafür! 😀 😀

Bei dem Pornhub-Becher hab ich schon beim Bild fast meinen Kaffee auf die Tastatur gerotzt 😀 😀

Ich hoffe nur, dass da jetzt nicht gleich ein paar “wirklich echte einzig wahre Simmer” direkt Puls bekommen, weil das ja keine echte Simulation ist! 😀

Ich hoffe, da kommt in Zukunft noch mehr von solchem schönen Blödsinn aus der, dank MSFS, frischen Sim-Community.

Sebi
Sebi
3 Jahre zuvor

Dieser Satz auf der Mod-Seite des Starbucks-Kaffees hat mir besonders gut gefallen:
“Your Double Ristretto Venti Half-Soy Nonfat Decaf Organic Chocolate Brownie Iced Vanilla Double-Shot Gingerbread Frappuccino Extra Hot With Foam Whipped Cream Upside Down Double Blended, One Sweet’N Low and One Nutrasweet, and Ice is Ready” 😀