Review: Alsace VFR FSX

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Beinahe möchte man jubeln, dass die deutsche Szenerie-Landschaft um ein wichtiges Addon gewachsen ist. Natürlich wäre das aus historischen Gründen totaler Blödsinn, aber ganz so falsch ist es auch nicht: Denn wer den, wie ihn der amerikanische Historiker David Blackbourn nennt, “deutschesten aller Flüsse” entlang fliegt, hatte bisher stets mit dem Dilemma zu kämpfen, dass die gute deutsche Szenerieabdeckung am östlichen Rheinufer aufhört und ein französisches Pendant bisher fehlte. Jetzt haben die Franzosen nachgelegt und France VFR Alsace X veröffentlicht. Holger Kistermann hat sich auf die Reise in eine der bedeutendsten Rheinlandschaften gemacht…


Kurze Einführung: Das Elsass gibt es gar nicht

Wer hätte das gedacht? “Das” Elsass gibt es gar nicht. Dieser Umstand ist den historischen Wirren geschuldet, in die der westrheinische Landstrich schon immer verwickelt war. Erst Kelten, dann Römer, dann Gothen und Allemannen, dann Franken, die Deutschen, die Franzosen, dann die Staufer und Schwaben und sogar die Habsburger. Im 17. Jahrhundert wurde das Gebiet schließlich vom französischen König annektiert, um knapp 200 Jahre später im lothringischen Frieden teilweise wieder an die Preußen zurück gegeben zu werden. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Franzosen wieder am Zuge. 1940 bis 1944 wurde das Elsass von den Deutschen besetzt; ab 1945 fiel das Gebiet zurück an Frankreich.

So wie die Vergangenheit, so unterschiedlich sind auch Sprache und Kultur des Elsass. An der Uni Strasbourg wird beispielsweise auf Deutsch gelehrt und auch sonst gibt es viele Dialekte und Mundarten, aber nicht “das” Elsass-Deutsch oder -Französisch. Ein Blick auf die Landkarte verdeutlicht das ziemlich gut: Vom deutsch-klingenden Wittelsheim zum französisch-klingenden Cernay sind es nicht einmal fünf Kilometer oder Orte wie Mulhouse alias Mühlhausen haben gleich zwei Ortsnamen.

Übrigens hat die elsässische Küche bekannte Spezialiäten wie den Flammkuchen, den Guglhupf oder das Sauerkraut hervorgebracht. Politisch gesehen ist das Elsass übrigens schon seit langer Zeit in die Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin mit den Hauptstädten Straßburg und Colmar geteilt. Heute geht es den Elässern gar nicht mal um die Zugehörigkeit Deutschland oder Frankreich. Vielmehr sehen sie sich als Europäer. Mit dieser Denkhaltung haben sie es zu einigem Wohlstand gebracht: Unternehmen finden eine solide Infrastruktur, gut ausgebildetes Personal und ein befruchtendes Umfeld von Automobil-, Chemie- und Bioindustrie. Kurzum: Das europäische Ideal von kulturellem Miteinander und funktionierender Wirtschaft findet man am ehesten im Elsass, ohne, dass viel darüber gesprochen wird.

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Interessanter Mikrokosmos

Das Elsass ist die kleinste Region auf dem französischen Festland, hat aber auf 190×50 Kilomtern Fläche dennoch viel zu bieten. Allem voran natürlich die Rheinlandschaft, in deren Hinterland sich die Vogesen anschließen. Sie sind quasi das Pendant zum Schwarzwald, dessen höchster Gipfel, der Grand Ballon, es immerhin auf 1.424 Meter bringt.

Im Norden wird das Elsass hauptsächlich vom Pfälzer Wald begrenzt, im Süden vom Jura. Und so führt manch Flug über das reale oder virtuelle Elsass über den flachen Oberrheingraben und hoch aufragende Berge gleichermaßen. Im Gegensatz zum Schwarzwald sind die Vogesen viel stärker bewaldet und menschenleer. Siedlungen finden sich hauptsächlich in den Tälern, die wenigen Passstraßen in die Berge sind im Winter häufig gesperrt.

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Der Süden des Elsass hat eine besondere geographische Bedeutung. Hier liegt die Burgundische Pforte, ein unscheinbarer Höhensattel in ca. 400 Metern Höhe, der die Wasserscheide zwischen Mittelmeer (Rhône) und dem Atlantik (Rhein) darstellt. Über das Rhônetal gelangen vornehmlich mediterrane Luftmassen gen Norden, die hier die Gebirge überspringen können und oft das gesamte Rheintal mit dem bekannten angenehmen Klima versorgen. Der Pforte entlang verläuft auch der Canal du Rhône au Rhin. Allein der Name “Burgundische Pforte” lässt natürlich auch die historische Bedeutung erahnen: Hier endete einst das Weströmische Reich, hier standen sich Burgunder und Alemannen gegenüber.


Was hat France VFR daraus gemacht?

Es wäre naiv zu glauben, dass fotorealistische Szenerien für die Entwickler heutzutage keine Herausforderung mehr darstellen würden. Dass man eigentlich “nur” Luftbilder nehmen müsste, sie über ein dreidimensionales Drahtgittermodell stülpen würde und anschließend ein paar Bäume pflanzen oder Häuser bauen würde. Auch wenn der grobe Arbeitsablauf in der Tat so aussieht, gibt es viele Kritieren zu beachten, die aus solch einer Szenerie ein gutes Addon machen.

France VFR hat wirklich gute Luftbilder verwendet. Die Farbgebung der Texturen ist satt, ohne jedoch dabei aufdringlich zu wirken. Ob man die Farbgebung im direkten Vergleich zur angrenzenden Germany VFR als “besser” bezeichnen würde, vermag ich nicht zu sagen, denn das ist letztlich Geschmackssache. Was jedoch sofort auffällt ist, dass die Texturen von France VFR weniger hoch aufgelöst sind. Ich möchte gar nicht die Gretchenfrage beantworten müssen, wie hoch eine Szenerie aufgelöst sein muss, damit sie das Prädikat “gut” verdient. Denn je höher die Auflösung, desto mehr Speicherplatz belegt sie und desto mehr Daten müssen von der Festplatte über den Prozessor in den Grafikkartenspeicher befördert werden. Viel wichtiger ist doch die Frage, ob der visuelle Gesamteindruck jenseits der technischen Daten stimmig ist. Und das ist er! Es mag durchaus Luftbildszenerien geben, die höher aufgelöste Texturen haben, bei denen aber die Farbgebung einen verwaschenen Eindruck macht oder bei denen Auflösung nur durch interpolierte Daten zustande gekommen ist.

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Wo Licht ist, ist natürlich auch Schatten. Wenige Teile der Szenerie scheinen nicht über die volle Auflösung zu verfügen. Das sieht man mancherorts an steilen Weinhängen, wo die Struktur in den Texturen “versumpft”, wie Grafiker sagen. Manchmal werfen die fotografierten Objekte lange Schatten. Die Aufnahmen haben zudem offenbar im Herbst stattgefunden, als sich das Laub in den Bergen langsam zu färben begonnen hat. All das ist ausdrücklich gesagt, nicht schlimm! Der Gesamteindruck stimmt dennoch.

Was einen viel faderen Beigeschmack hinterlässt, ist das fehlende Autogen auf einer sehr großen Fläche in den Vogesen. Schätzungsweise über 100 Quadratkilometer wurden offensichtlich übersehen. Beim Betatest hätte das auffallen müssen! Das Handbuch gibt jedenfalls keinen Hinweis darauf, vielmehr ist in der Produktbeschreibung auch von einer kompletten Autogen-Abdeckung die Rede. Das ist eigentlich sehr schade, denn diese Schlamperei mindert den ansonsten so positiven Gesamteindruck und vermittelt dem Käufer den Eindruck, dass man hier nicht voll bei der Sache gewesen ist.

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Genug geärgert!

Am wichigsten ist bei einer VFR-Szenerie natürlich die VFR-Tauglichkeit. Wer ICAO-Karten im Maßstab 1:500.000 sein Eigen nennt oder Aerosofts FS Map installiert hat, ist klar im Vorteil – schließlich beinhaltet das Kartenblatt “Stuttgart” das gesamte Elsass. Und so kann man mit Alsace VFR FSX den Sichtflug genauso hervorragend trainieren, wie es mit der VFR Germany-Serie von Aerosoft der Fall ist.

Die Szenerie enthält alle wichtigen Objekte, die auf der VFR-Karte eingezeichnet sind. Und natürlich noch viel mehr, die zwar weniger wichtig für die akkurate Navigation sind sondern in die wunderbare Kategorie “Eye Candy” fallen. Aber das ist ja das Salz in der Suppe beim Sichtflug. Seien es Industrieanlagen, Schlösser, Denkmäler oder wichtige Gebäude. Es gibt viel zu entdecken – bishin zu den vielen Yachten, die in den Rheinhäfen dümpeln.

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So sieht das Elsass aus

Bilder sagen mehr als tausend Worte… Beginnen wir mit Impressionen aus Strasbourg. Der Button unten rechts schaltet in den Vollbildmodus um und lädt die Bilder in voller Auflösung.

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Berglandschaften sind immer schön. Die Vogesen haben es mir besonders angetan. Der Button unten rechts schaltet in den Vollbildmodus um und lädt die Bilder in voller Auflösung.

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Auch das Rheintal weiß zu überzeugen! Der Button unten rechts…

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Flugplätze und Flughäfen

France VFR  ist einer der wenigen Hersteller, die noch echte Flächenszenerien herstellen, in denen man viele Stunden lang Flugspaß haben kann, ohne noch weitere Szenerieaddons dafür kaufen zu müssen. Die Rede ist von Flugplätzen und Flughäfen, die immer wieder zu einem Zwischenstopp einladen. Sie sind zwar ziemlich rudimentär gehalten, überzeugen aber dennoch, weil sie gegenüber der Standardszenerie eine wohltuende Verbesserung darstellen. So verfügen die Gebäude nicht über hoch auflösende Texturen und auch die Bodentexturen sind nicht vollständig, doch Layout, Look & Feel stimmen definitiv. Die beiden “großen” Flughäfen, Strasbourg-Entzheim und Bâle-Mulhouse sind übrigens in guter Qualität in diesem Addon enthalten, obwohl es sie auch als Einzelprodukte gibt. Ich besitze ebenso die Basel-Szenerie und habe keinen großen Unterschied, von ein paar Bodentexturen einmal abgesehen, zu der in diesem Produkt enthaltenen Version von Basel entdecken können.

Einen guten Überblick gibt diese Slideshow; per Klick auf den Button unten rechts laden die Bilder in voller Auflösung.

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Empfohlene Flugroute für einen verregneten Sonntag Nachmittag

Wer Lust auf das Addon bekommen hat, dem sei folgende Route empfohlen: Mit einer Cessna – oder einem anderen Kolbenschüttler – geht es ab Basel gen Westen in die Vogesen. Am Grand Ballon und Ballon d’Alsace entlang der Gipfel gen Nordosten, bis man auf Höhe Strasbourg weiter nach Westen Richtung Sarre-Union einschwenkt. Kaffeepause in Sarre-Union, anschließend nach Osten “runter an den Rhein”. Über Strasbourg nach Süden eindrehen und dem Rhein entlang fliegen. Nochmal Kaffeepause in Colmar-Houssen. Der A35 entlang nach Süden vorbei an Mulhouse und Landung in Basel. Für diese Strecke sollte man “die Mühle” ordentlich volltanken, schließlich ist man locker zweieinhalb Stunden unterwegs.

 

Kompatibilität zu dritten Addons

France VFR Alsace X ist kompatibel zur VFR Germany-Reihe von Aerosoft; der dritte Teil, Süddeutschland, ergänzt das Rheintal besonders gut. Alsace X ist ebenso kompatibel zu Ultimate Terrain X – Europe. Gerade in der Morgen- oder Abenddämmerung ist diese Kombination besonders reizvoll, wenn die Szenerie dann durch die vielen Straßenlaternen illuminiert wird. Schließlich besitzt Alsace X keine Nachttexturen! Und die Szenerie ist natürlich kompatibel zu den als Einzel-Addons erschienden Flughäfen Strasbourg-Entzheim und Bâle-Mulhouse von France VFR. Switzerland Professional reicht im Süden bis in den kurzen Endanflug auf Basel heran; auch hier gibt es keine Kompatibilitätsprobleme. Weitere Addons für diese Region sind mir zur Zeit nicht bekannt.

 

Performance

Die Performance hängt natürlich stark von der gesetzten Autogen-Dichte ab. Nichtsdestotrotz hatte ich in dieser Szenerie niemals ernste Performance-Probleme. Auch die Luftbildtexturen haben auch bei schnellem Überfliegen mit Jets schnell nachgeladen und sind damit nicht mit den FS2004-Szenerien von France VFR vergleichbar. Alsace X reiht sich damit in die gute Performance der anderen FSX-Szenerien von France VFR ein.


Fazit

Alsace X ist 20,- € günstiger als Bretagne X, die ich hier rezensiert habe. In Sachen Designkunst und Szeneriequalität steht sie diesem Produkt in nichts nach. Alsace X hat somit ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und garantiert stundenlange Flüge (mit “langsamen” Maschinen) über ein abwechslungsreiches Gebiet. Die Auflösung der Luftbildtexturen ist immer ausreichend gut genug, um ernsthaften VFR-Flug zu machen. Es gibt nur wenige Schattenseiten an diesem Produkt; die Schokoladenseiten überwiegen stets, so dass ich Alsace X guten Gewissens weiter empfehlen kann.



Pro

Contra

  • Große Szenerieabdeckung
  • Sehr viele versteckte Details
  • Farbgebung der Luftbildtexturen
  • Akkurates Mesh
  • Exakte Wassermasken
  • Angepasste Flugplätze und Flughäfen
  • Kartenmaterial für die Flugplätze und Flughäfen


  • keine vollständige Autogenabdeckung
  • nur eine rudimentäre Übersichtskarte

Informationen

Testsystem

  • Intel QX6800, 2.93 GHz
  • 4 GB RAM
  • GeForce 8800 GTX