Dieser Artikel erschien erstmalig am 17.August 2005 auf simflight.de
Liebe Leser!
Heute beginnt unser Online-Workshop, der Euch über die nächsten Wochen mit Informationen zum Onlinefliegen versorgen wird. Den Anfang macht heute eine Einleitung, die verdeutlicht, was einem alles entgeht, wenn man nicht online fliegt. Was das tatsächlich ist und wie der weitere Workshop ablaufen wird, findet Ihr unter “mehr…” heraus.
Herzlich willkommen zu unserem Online-Workshop!
Dieser 7-teilige Workshop soll Euch, liebe Leser, das Online Fliegen näher bringen. Dafür haben sich Florian Bolli, Mike Strasser, Ingo König und Thomas Eßer in die Arbeit gestürzt und werden das Onlinefliegen vorstellen. Auf diesen ersten Teil, der nur eine Einleitung ist, folgt demnächst eine Betrachtung der Vorteile und Vorurteile.
Insgesamt ist unse Workshop nach folgendem Fahrplan aufgebaut:
- Einleitung
- Vorteile vs. Vorurteile
- Flugplanung Teil I
- Flugplanung Teil II
- Möglichkeiten und Netzwerke
- Die großen Drei: FPI, IVAO, VATSIM
- Interview
Damit jetzt viel Spaß mit dieser ersten Einleitung und wir freuen uns Euch bald zum zweiten Teil wieder begrüßen zu können!
Die Einleitung
Ein kurzes Knacken im Headset und schon meldet sich eine – wohlgemerkt menschliche – Stimme:
„Lufthansa 135 Echo, Moin moin, this is Düsseldorf, cleared to destination Munich via Doden 1 Tango Departure, Squawk 2206, QNH 1009″
„Cleared destination Munich, via Doden 1 Tango, Squawk 2206 and QNH 1009, Lufthansa 135 Echo”
„Lufthansa 135 Echo readback correct, start and push approved”
„Start and push approved, danke, Lufthansa 135 Echo”
Mit ein paar Handgriffen schalte ich das Beacon ein und rufe ein kleines Tool auf um mich mit der, diesmal (noch?) virtuellen Groundcrew, zu unterhalten. „Ready für pushback” – „Release brakes”… Die Parkbremse wird gelöst. Ein Griff nach rechts zur Engine Start Checklist. Alle Items checked. Damit wäre es soweit, Klick ins Overhead und das rechte Triebwerk beginnt zu laufen. Im Hintergrund, oder besser gesagt aus den Boxen meines Notebooks hört man leise die Kabinenansagen „Herzlich willkommen an Bord….”
Nach dem rechten Triebwerk nun das linke. Wieder ein leises Brummen vorne im Cockpit (es leben die Rearboxen im Regal). Mit einem kurzen Ruck stehen wir. „Pushback complete, set parking brake, give you signal on your right hand side. Have a good flight, sir” Damit sind wir offblock, eine kurze Notiz im Flightlog.
„Düsseldorf Tower, Lufthansa 135 Echo, ready for taxi”
„Lufthansa 135 Echo, copied. Taxi holding point runway 23 left, via taxiways Romeo and Mike”
“Holding Point runway 23 left via romeo and mike, Lufthansa 135 Echo”.
Ein leichter Druck auf die Schubhebel, und unsere Maschine setzt sich langsam in Bewegung. Taxi-Check please! Vor uns sehen wir eine Air Berlin 737 anrollen der wir folgen können. Die Bewegungen sind, dank der neusten Software, schon ziemlich gleichmäßig. Kaum noch etwas zu merken vom FS-eigenen Ruckeln im Multiplayer, was einem früher das sonst mit soviel Aufwand erzeugte Flair, verdorben hatte. Ein neugieriger Blick in eine Software namens Servinfo verrät mir, dass die Air Berlin auf dem Weg nach Nürnberg ist. Da haben wir ja fast den gleichen Weg!
„Air Berlin 2245, winds 220, 8 knots cleared for takeoff runway 23 left, schönen Flug und bis zum nächsten Mal”
„Cleared for takeoff 23 left, winds copied. Danke auch, tschüß, Air Berlin 2245″.
Prompt ist aber auch wieder meine Aufmerksamkeit verlangt.
„Lufthansa 135 Echo, line up 23 left behind departing 737″
„Lining up 23 left behind departing traffic, 135 Echo”
In diesem Moment hört man das gezügelte Brüllen des Flugzeugs direkt vor mir. ‚Guten Flug’ denk ich mir, und mit Getöse zieht Air Berlin 2245 aus meinem Blickfeld. Es wird Zeit, dass auch ich in die Luft komme. Also wieder etwas Schub geben, ein Klick ins Overhead und die Strobes beginnen zu blinken, noch ein Klick und die Landing Lights erhellen die Startbahn vor mir. Mit mäßiger Geschwindigkeit biege ich scharf rechts auf die Bahn ein. In der Kabine würde es nun in teils freudiger, aber meist doch eher besorgter Erwartung still. Ein wenig Phantasie vorausgesetzt, denn meine real existierende Kabine besteht nur aus Regalen und Aktenordnern. In meinen Ohren melden sich zwei weitere Flugzeuge – aha, noch eine Lufthansa auf dem Weg nach Frankfurt!
Vorbei sind die Zeiten, in denen wir virtuellen Piloten alleine über einer Geisterwelt kreisten. Zwar schenkte uns Microsoft mehr oder weniger leblose Kollegen, aber die erinnern doch eher nur an eine Schreckensversion der komplett computergesteuerten Welt – mit all ihren Fehlern eben.
„Lufthansa 135 Echo, winds 228 degrees, 8 knots, cleared for takeoff runway 23 left”
Aus den Gedanken gerissen zu werden mag ich zwar eigentlich gar nicht, aber hinter mir rollt schon eine ATR an die Bahn, die schließlich auch noch heute starten will.
„Winds copied, cleared takeoff 23 left, danke und tschüß, Lufthansa 135 Echo”
„Jo, tschüß und guten Flug”
Der Schub geht gleichmäßig hoch, Takeoff Power set. V1, Rotate. Sanft am Sidestick ziehen, und willig hebt die Maschine ab. Der Flightdirector erwacht zum Leben. Positive climb, gear up. Und wieder wird er wahr, der Traum vom Fliegen. Ok – nur am PC, aber die Phantasie, haben wir da nicht eben schon von gesprochen?
Nun aber bitte nicht ins Träumen kommen, sondern lieber das Funkgerät bedienen. Frequenz von EDDL_V_APP, die An- und Abflugkontrolle Düsseldorfs, eindrehen und melden.
„Düsseldorf Approach, Lufthansa 135 Echo”
Stille. Na gut noch mal
„Düsseldorf App….”
Weiter komme ich nicht denn ich höre Stimmen. Nein, nicht weil ich etwa falsche Mittel eingenommen hätte (Don’t drink and fly), sondern weil sich nun doch der Controller meldet. Controller sind auch nur Menschen, darauf werden wir in unserem Workshop noch zu sprechen kommen.
„Lufthansa 135, Düsseldorf Approach, hallo, set squawk mode Charlie”
Mist! Doch etwas vergessen. Das kommt davon, wenn man in den Tag hinein träumt. Blick nach rechts auf den Notebook Schirm. Zwei Klicks und wir haben den Modus gewählt, dass uns der Radar Controller auch erkennen kann.
„Lufthansa 135, Düsseldorf Approach, you’re identified. Climb Flight Level 80″
„Level 80, Lufthansa 135 Echo”
Ich fahre die Klappen ein und kommandiere dem Autopiloten die 8000 Fuss. Climb Checklist. Nicht umsonst ist Fliegen ein Zweimannjob. Auf der Frequenz treffen wir nun auch die Air Berlin wieder. Der Kollege ist nur wenige Meilen vor uns. Auf dem TCAS Display kann ich ihn eindeutig identifizieren. In nahezu trauter Zweisamkeit steigen wir beide erst auf die 8000 Fuß, Übergabe an Center und ich befinde mich schon fast im Cruise.
Zeit ein paar Worte über die wahre Faszination und Passion Online Fliegen zu sprechen. Heute, wo es nahezu gang und gäbe ist, dass jeder Internet hat, erscheint der Schritt hin zum gemeinsamen Fliegen im Netz klein. Anders damals, als mich der Virus erwischte. Vatsim (Virtual Air Traffic Simulation) hieß noch Satco (Simulated Air Traffic Control) und man flog mit 56k Modem, oft sogar noch textbasiert. Das bedeutete ein mühsames Tippen der ATC- Phrasen. Die erste Voice-Software musste ich mir dann noch von einem Bekannten mittels Kreditkarte kaufen lassen. Welch ein Quantensprung! Nichtsdestotrotz war das alles noch recht rudimentär. Die Bemühungen aber rühmlich. Und in diesen Jahren entwickelte sich dann das, was heute das größte Onlinenetzwerk in der Simulatorwelt ist. Über die einzelnen Netzwerke und technischen Möglichkeiten werden wir allerdings noch gesondert berichten.
Ich möchte sie hier an keiner Stelle verbergen, meine tiefe Überzeugung, dass erst mit dem Onlineflug das Erlebnis Simulator vollständig wird. Kann man als VFR-Pilot auch noch mit dem Standard Werk zurechtkommen, so fehlt spätestens beim IFR-Flug der wirkliche „Kick”. Es fehlt das „Guten Morgen” das „Bonjour” über Frankreich, das schnelle Spanisch im Anflug nach Mallorca.
Keine Sorge, hier spricht jeder Englisch. Und auch wenn man selber alles andere als Muttersprachler ist, die Phrasen sind standardisiert und für jeden erlernbar. Siehe auch unser Artikel über Vorurteile und Ängste. Es ist aber eben genau jenes Flair, was die Phantasie noch weiter ankurbelt. Ich fliege über den Ärmelkanal und die Controller sprechen nicht im breiten Texanisch (das habe ich dafür dann tatsächlich in Texas) sondern mit landestypischem Akzent. Und ein paar freundliche landssprachliche Brocken, ein „merci” oder ein „gracias”, ein „tak” und ein „danke” fördern mit Sicherheit, wenn auch nur im allerkleinsten, die internationale Verständigung und Verständnis. Da mag ich mich gerne erinnern an die VATSIM Convention in Frankfurt.
Von den USA, Kanada bis zur Türkei trafen sich Menschen mit dem gleichem Hobby. Und letztlich, so es auch etwas pathetisch klingen mag, können wir ein wenig stolz sein, dass wir ein globales Hobby-Netzwerk dieser Größe betreiben, in dem es nicht darum geht andere vom Himmel zu holen, den Kopf abzutrennen oder Flotten und Planeten zu zerstören. Vielmehr lebt überall eine Art gemeinsamer friedlicher Gedanke mit demselben Ziel: den Luftverkehr so realistisch wie möglich zu simulieren. Und wie bereits angetönt: Die Steigerung des Erlebnis Flugsimulation ist kaum mit anderen Mitteln zu erreichen. Und das auch noch kostenlos. Das Gejammer ist hier und dort bereits groß, die Kommerzialisierung in der Szene greife immer weiter um sich – erstaunlicherweise bei den Online-Netzwerken nicht. Hier lebt sie noch, die alte, oft beschworene Freeware-Gemeinschaft.
Die einen stellen Programme zur Verfügung, andere in stundenlanger Arbeit gezeichnete wirklich perfekte Karten, die den professionellen in nur ganz wenigen Belangen nachstehen, für den virtuellen Piloten aber mehr als ausreichend sind. Wieder andere haben ihren Spaß daran gefunden, den Luftverkehr zu kontrollieren und bevölkern von daheim die internationalen Tower und Radarstationen. Und nicht zuletzt sind da versierte Dispatcher, deren Datenbank an realistischen Flugrouten von Tag zu Tag wächst (siehe auch der Workshop zur Flugplanung). Und das alles für keinen einzigen Cent. Die einzige Investition die man machen muss ist ein wenig Training. Aber auch hier ist man nicht auf sich alleine gestellt, wie im späteren Verlauf dieses Workshops noch erläutert werden wird.
Es kursieren mannigfaltige Gerüchte und Vorurteile, die offenbar noch immer viele Piloten von einem Einstieg abhalten. Die häufigsten Argument sind sicher das (vermeintlich) unzureichende Englisch oder einfach nur mangelnde Kenntnisse. Man kann hier nur noch einmal betonen: probiert es aus! Wortwörtlich ist hier noch kein Meister vom Himmel gefallen. Im gleichen Zuge muss aber auch betont werden, dass es sich bei der Community in der Onlinefliegerei auch ‚nur’ um Menschen handelt, die zum einen Fehler machen und zum anderen auch schon mal schlechte Laune aufweisen.
Und so gerät man auch dann und wann mal in eine Situation, in der man sich ärgern könnte. Aber sind wir doch ehrlich: so ist das Leben und Menschlichkeit. Und eben jener Kontakt zu echten Menschen und nicht zu der Stimme aus der Microsftschen Konserve macht gerade den zusätzlichen Kitzel aus. Einmal vom Onlineflug-Virus infiziert, findet sich nicht so rasch ein Gegenmittel.
Nun aber genug der Worte, die Landung naht! Meine Einstiegsdroge damals war übrigens ein Artikel im Spiegel. Ich würde mich also freuen, wenn ich bei Euch auch etwas das Interesse an der Online Fliegerei wecken konnte und Ihr auch alle weiteren Artikel in unserer Serie verfolgen würden. Oder – noch besser – nach der Lektüre unserer Artikel tatsächlich einen ganz elementare Schritt hin zu mehr Realität in unserer virtuellen Welt wagen.
Thomas Eßer