Eine große Szenerie: St. Petersburg ULLI

Von Bert Groner

Seit dem 24. Feburar 2022 “neutral” über Russland zu sprechen oder zu schreiben, ist schwierig. An diesem Tag begann auf Befehl von Präsident Wladimir Putin der Angriffskrieg gegen die Ukraine und das Sterben von mittlerweile hunderttausenden Menschen, darunter viel zu vieler Zivilisten. Ein Ereignis, dass Europa verändert hat. Eigentlich ist das seit dem 14. März 2014 so, als Russland auf Befehl desselben Präsidenten die Krim annektierte, die – zuvor von Russland völkerrechtlich anerkannt – zu der Ukraine gehört.

Für uns virtuelle Piloten kann, aber muss das alles nicht zählen, denn uns geht es außerhalb unseres Arbeits- und sozialen Lebens um das Hobby Flugsimulation. Und das ist grundsätzlich unpolitisch… Das vorausgesetzt, lässt die Review des Flughafens von St. Petersburg-Pulkovo für den MSFS, gemacht von Evgeny Baturins Label Digital Design, als richtig und angemessen erscheinen.

St. Petersburg

St. Petersburg liegt äußersten Westen Russlands an der Mündung des Flusses Newa in die Newa-Bucht, die im finnischen Meerbusen endet. Die Stadt, die aus rund 40 Inseln besteht und wegen der mehr als 60 Kanäle “Venedig des Nordens” genannt wird, war von 1712 bis 1918 Hauptstadt des Kaiser- respektive Zarenreiches. Benannt war und wurde sie nach dem ersten Kaiser (Zaren) des Russischen Reiches Peter I., der Große (* 30. Mai 1672 + 28. Januar 1725), der die Stadt 1703 gründete. Seine in Folge sechste Nachfolgerin und glühende Bewunderin Katharina II., die Große (* 2. Mai 1729 + 17. November 1796 – die einzige Frau, die jemals mit dem Zusatz “die Große” geehrt wurde) ließ 1782 für ihn das Denkmal “Der eherne Reiter” auf dem Senatsplatz an der Admiralität errichten mit der Inschrift “Petro primo – Katharina secundo” darauf.

St. Petersburg, das ab dem Beginn des ersten Weltkrieges von 1914 an bis 1924 Petrograd und von 1924 bis 1991 unter den Kommunisten Leningrad hieß, ist mit rund 5,5 Millionen Einwohnern die größte russische Stadt nach Moskau, das bereits 1918 von Wladimir Iljitisch Lenin, im Jahr 1922 Mitgründer der Sowjetunion, zur Hauptstadt erklärt wurde.

St. Petersburg ist unter anderem mit dem größten Osteseehafen Russlands ein wichtiges Wirtschafts- und Kulturzentrum mit zahlreichen Denkmälern, historischen Bauten, Kunstschätzen und Sehenswürdigkeiten. Seit 1993 gehört die Innenstadt zum Kulturerbe der UNESCO www.unesco.org. Die Stadt war teilweise Schauplatz des Kinofilms “Goldeneye” mit Pierce Brosnan als 007, der mit einem T-55-Panzer eine wilde Verfolgungsjagd durch das historische Viertel veranstaltete.

Flughafen St. Peterburg-Pulkovo

Rund 15 Kilometer südöstlich des Stadtzentrums befindet sich der Airport im Ortsteil Pulkovo an der Pulokower Chausse, die “pfeilgerade” in die Innenstadt führt. Die Geschichte geht bis auf das Jahr 1931 zurück. Ab 1951 wurde das heutige Terminal Pulkowo 2 ausgebaut, da sich damals mit Vorfeld nordöstlich der 2.500 mal 60 Meter messenden Piste befand, die aktuell den Bezeichner 14/32 tragen würde. Deren Reste werden heute als Abstellfläche genutzt.

Der Platz trägt heute die IATA- und ICAO-Kennungen LED (nach Leningrad) sowie ULLI und verfügt über die beiden Betonbahnen 10L/28R (3.780 mal 60 Meter) und 10R/28L (3.397 mal 60 Meter). Die 10L wurde mit einem CAT IIIa-ILS, die 10R und die 28R mit CAT II-ILS ausgestattet und die 28L mit einem CAT I-ILS. Alle Bahnen lassen sich mit Hilfe von GLS- und RNP-Verfahren anfliegen und mit Hilfe der NDBs PU 326 kHz und U 625 kHz (10L), PK 342 kHz und K 700 kHz (10R), PO 277 kHz und O 572 kHz (28L) und PL 525 kHz (28R). Außerdem steht das VOR/DME ST. PETERSBURG SPB 113,40 MHz am Platz als Anflughilfe für die 10L und die 28R bereit. Die parallelen Bahnen können wegen ihres Abstandes von 1.400 Metern unabhängig voneinander verwendet werden, weswegen auf Karten keine Simultananflüge gezeigt werden.

In der Mitte der 10L/28R und 10R/28L befinden sich am großen Apron 1 der Tower und das am 4. Dezember 2013 eröffnete Hauptterminal direkt nördlich des Terminals Pulkovo 1. Seit dem 28. März 2014 ist Pulkovo 2 nicht mehr in Betrieb, aktuell beherbergt es ein Fliegermuseum. Am selben Tag wurde auch Pulkovo 1 zur Modernisierung geschlossen. Mittlerweile ist es wieder im Vollbetrieb. Architektonisch von Bedeutung sind die dortigen fünf gläsernen Dachkegel von Alexandr Zyk, die als Meilenstein der sowjetisch-postmodernen Architektur gelten. Sie sorgen für die viel natürliches Licht im Terminal.

Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr wird ausschließlich durch (Express-)Busse realisiert. Berichtet wurde von Medien mehrfach, das es schwierig sei, am Airport zu parken, da Kapazitäten fehlen.

Die Eigentümer und Betreiber des Platzes wechselten mehrfach. Unter anderem war Fraport www.fraport.de von 2009 an mit 35,5 Prozent am Flughafen beteiligt. Das Unternehmen wurde im Dezember 2023 von russischen Behörden enteignet. Die letzten von Fraport gemeldeten Zahlen lauten 18.140.100 mit 144.867 Flügen transportierte Passagiere im Jahr 2022. Zur Frachttonnage werden keine Angaben gemacht. Nach den Hauptststadt-Airports Scheremetjewo, Domodedowo und Wnukowo ist St. Petersburg der viertgrößte in Russland.

Am Airport hat die im 7. Mai 1934 gegründete russische Airline Rossiya ihren Hauptsitz. Sie gehört seit dem 16. November 2011 zur Aeroflot-Gruppe. Bedient werden mit rund 130 Flugzeugen 120 Ziele in Russland. Weil es wegen Sanktionen wegen des Ukranie-Krieges keine zertifizierten Ersatzteile mehr für in den USA hergestellte Flugzeuge in Russland gibt, ist Rossiya momentan ausschließlich mit A319 und A320 sowie Sukhoi Superjet 100 unterwegs.

Seit dem 17. Februar 2022 fliegen keine europäischen Airlines mehr nach Russland und keine russischen nach Europa. Wer (dennoch – vor allem wegen der Gefahr der Festsetzung zum Austausch gegen im Ausland “politisch” inhaftierte Russen) in die Stadt fliegen will oder muss, nutzt in der Regel den Umweg über den Flughafen Kaliningrad und von dort innerrussische Flüge nach St. Petersburg.

Simulation

Digital Design ist der Szene seit Anfang Dezember 2014 ein Begriff, als der Airport Pulkovo für den FS X und Prepar3D (P3D) Premiere feierte. Ende Dezember 2014 folgte überraschend eine Umsetzung für den damals schon “alten” FS 2004…

Der Designer gab im März 2015 eine Umsetzung für den X-Plane 10 heraus und brillierte ab 2016 mit den ULLI-Aktualisierungen v2 und v3 sowie sehenswerten Szenerien unter anderem der Flughäfen von Salzburg, Leipzig-Halle und Sochi. Das FS MAGAZIN berichtete mehrfach.

Am 18. September 2024 erschien die komplett neu erstellte Szenerie für den MSFS für rund 23 Euro.

Neu ist, das nicht “nur” der Flughafen auf aktuellem Ausbaustand gezeigt wird, sondern auch viele wichtige Bauten entlang der Newa Bucht von St. Petersburg erstellt wurden. Hinzu gesellen sich herausragend umgesetzte Brücken im Stadtgebiet, die große Fabrik des Schwerindustrie-Unternehmens Izhora im Südosten des Platzes im Ortsteil Kolpino und den Hubschrauber-Landeplatz “Helidrive” im Nordwesten von ULLI. Bis 2015 wurde hier ein Motocross-Gelände betrieben, welches Bestandteil der Szenerie ist. Siehe die Karte hierzu weiter unten.

Der Flughafen zeigt den momentanen Ausbaustand mit dem geschlossenen Terminal Pulkovo 2 und dem weitgehend leeren Apron 3 davor sowie den Hangars der Fluggesellschaft Rossiya.

In der Übersicht zeigen sich keine Fehler im Design von Gebäuden, Stand- und Rollflächen. Alle Beschilderungen und Bodenmarkierungen einschließlich der Bezeichner der Parkpositionen sind wie auf Satellitenbildern und Flugnavigationskarten zu sehen vorhanden. Zudem wurden über all viele verschiedene Bodenobjekte wie Container und Rollwagen aufgestellt. ZUgmaschinen und Busse fahren umher.

Das Hauptterminal und Pulkovo 1 wurden innen detailliert möbliert und mit zum Teil animierten Personen versehen. Zu den üblichen Einrichtungen wie Sicherheitsschleusen, Sitzgelegenheiten, Feuerlöschern und diversen Geschäften kommen virtuelle Stellvertreter der Kunstwerke von Dmitry Shorin, die auf der Landseite vor und im Terminal stehen. Pulkovo 1 ziehrt eine Statue von Peter I., dem Großen. Der Zar war nicht nur an seinen Leistungen gemessen groß, sondern auch körperlich. Schätzungen reichen von 2,01 bis 2,15 Metern…

Die Beleuchtung in den dunkeln Tageszeiten ist speziell an den Parkpositionen der Terminals ausrechend hell ausgefallen. Die korrekt wiedergegebenen Anflugbefeuerungen (ALSF-II mit Aufsetzonenbefeuerungen an den Bahnen 10L/R und 28R sowie ALSF-I an der 28L ohne Aufsetzzonenbefeuerung) wurde nicht mit Laufblitzlichtern ausgestattet. Grund ist laut des Designers der Umstand, dass diese nur bei schlechten Sicht- und Wetterverhältnissen aktiviert werden. Anders als der FS X oder Prepar3D (P3D) lasse der MSFS allerdings eine solche automatisierte Schaltung (noch?) nicht zu.

Genutzt werden Visual Docking Guidance Systems (VDGS) von GSX Pro von FSDreamTeam – ein Profil dafür wird mitgeliefert. Es kann per Contrail-App oder händisch eingerichtet werden.

Die Jetways des Bodernservice-Providers müssen per Konfigurator deaktiviert werden, da es sonst zu Anzeigefehlern an den Terminals kommt.

Die einzigen erkannten Auslassungen sind die vier Landekursender, die der Designer vergessen hat, als 3D-Modelle aufzustellen. Evgeny Baturin wurde um ein Update gebeten.

Performance

Trotz des Umfangs des Add Ons ist die Leistung recht hoch. Es gab im Test keine Probleme mit den derzeit verfügbaren großen Passagierflugzeugen un ddem 727-200-Frachter für den MSFS.

Ergänzung

“SkySorceress” hat bei flightsim.to das umfangreiche Freeware-Paket “Landmarks of Saint Petersburg and ULLY Airfield and ULLQ Heliport” eingestellt.

Darunter der “Eherne Reiter”, die Peter-und-Paul-Festung, die Admiralität und sehr (!) viele andere sehenswerte Dinge – auch aus der umgebenden Region.

Eine Liste gibt es hier… …da die Webseite instabil ist.

Eine Lagekarte der Bauten gibt es hier.

Damit die Stadt mit der Szenerie von Digital Design kompatibel wird, muss die Priorität der Payware auf 4 oder höher gesetzt werden. Dazu im MSFS unter “Allgemeine Optionen” und “Experimentell” den Schalter “Tool zur Nachbestellung von Paketen” auf “an” setzen. Dann in der Szenerieliste per Filter nach “ULLI” suchen und dessen Priorität auf 4 oder höher einstellen.

Siehe hierzu auch die englischsprachigen Erläuterungen von Digital Design.

Andere Ergänzungen sollten unbedingt die AI-Schiffe von Seafront Skyline Simulations und die Freeweare von Henrik Nielsen sein. Sie beleben die Newa Bucht deutlich…:

https://de.flightsim.to/file/81663/global-ai-ship-traffic-v6
https://flyawaysimulation.com/downloads/files/24877/msfs-ai-ships-boats-global-traffic
https://www.simdocks.de/gaist/ai-boats-ships-v6-msfs.zip

Fazit

St. Petersburg ULLI für den MSFS ist eine wahrhaft “große” Airport-Szenerie mit Stadtanteilen, die durch die erwähnte Freeware perfekt erweitert wird. Jeder Cent der für die Payware aufgerufenen 23,12 Euro sind es wert, ausgegeben zu werden. Kaufempfehlung!

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5 Comments
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Bernd
Bernd
11 Tage zuvor

Da ist ein Typo direkt im ersten Satz: “Seit dem 24. Feburar 2024 “neutral” über Russland zu sprechen oder zu schreiben, ist schwierig.”

Sollte sicher 2022 heißen.

Bert Groner
Beantworten  Miguel Blaufuks
10 Tage zuvor

Mein Fehler, sorry…

Bert

Michael Joerg
Michael Joerg
6 Tage zuvor

Für LED aber auch die Mai-Airports in Russland gab es schon immer wirklich tolle Umsetzungen. Die Anflüge über Plattenbauten war immer interessant und auch Dank des AI-Traffic immer eine kleine Wundertüte, was man dort an Flugzeugen vorfinden würde.

Leider ist es aber eben nun mal so, dass viele Simmer dem realen Vorbild nach kommen und auch eben diese Flüge nahezu gänzlich eingestellt haben, so kann man es auch einfach auf IVAO/VATSIM verfolgen.

Wird sich daher auch in den Verkaufszahlen wiederspiegeln.

FWAviation
FWAviation
Beantworten  Michael Joerg
6 Tage zuvor

Ich teile deine Einschätzung. Vor dem Krieg hätte ich mir diese Szenerie über kurz oder lang wohl zugelegt. Jetzt aber ist mir die Lust auf Russland auch im Simulator weitestgehend vergangen. Ich habe mir während des ersten Jahres des Ukraine-Kriegs mal Scheremetjewo und die Moscow Landmarks von Drzewiecki zugelegt – in einem Anflug zaghafter Hoffnung, dass es irgendwann auch wieder eine Zeit nach dem Krieg mit Verständigung und Flügen zwischen dem Westen und Russland geben wird. Mittlerweile ist das alles der Ernüchterung gewichen und Moskau verstaubt bei mir im Simulator. Bittere Zeiten.

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