Review: Dolomiti X – Comelico und Alpago

Kürzlich wurden von Realearth X zwei Szenerien für die Dolomiten veröffentlicht. Holger Kistermann ist ein ausgewiesener Dolomiten-Fan und hat sofort die Reise nach Norditalien angetreten. Lest im Folgenden, ob die Szenerien für die Regionen Alpago und Comelico seinen hohen Ansprüchen genügen…

Die Erwartungen? Eher klein…

Was erwartet den geneigten Käufer, wenn er bereits vorab einen Blick auf die Rahmendaten dieser Szenerien wirft? Die Rahmendaten lassen bereits folgende Erwartungen zu, die es im Rahmen dieser Rezension zu überprüfen gilt:

• Ihre Gebietsabdeckungen sind sehr klein
• Die Gebiete sind nicht zusammen hängend, das heißt, man kann nicht von einer Szenerie in die andere fliegen
• Die Screenshots und das auf der Produktseite veröffentlichte Video verheißen eine außerordentlich hohe Designqualität
• Beide Gebiete liegen in einer landschaftlich sehr reizvollen Region, den Dolomiten
• Die Dateigrößen (ein Gigabyte und 1,2 Gigabyte) stehen im Missverhältnis zur Szenerieabdeckung, was umso mehr Details verspricht
• Beide Szenerien sind mit saisonalen Texturen und Nachttexturen versehen, was ein realistisches Erlebnis zu allen Jahreszeiten ergeben müsste
• Es gibt keine Flugplätze

Und schon geht’s los: Download und Installation

Beide Produkte sind exklusiv im simMarket erhältlich. Der Download geht recht schnell vonstatten, ist aber angesichts der oben beschriebenen Dateigrößen nur mit DSL zu bewältigen. Die Installationsroutinen werfen ein erstes „Aha-Erlebnis“ auf, allerdings nicht im positiven Sinne. Die Routinen sind, inklusive des Lizenzvertrages, vollständig in italienisch. Als Käufer hat man also keine Ahnung, was für einen Vertrag man mit Klicken auf die „üblichen Schaltflächen“ akzeptiert. Ich finde das schlichtweg inakzeptabel! Wenn man als Szeneriedesigner sein Produkt auf einer internationalen Plattform vermarktet, muss man einfach davon ausgehen, dass das Produkt auch über die Grenzen Italiens hinweg seine Abnehmer finden wird. Es wäre daher das Mindeste, den Lizenzvertrag auf Englisch anzubieten, zumal es ja mehrere Standard-Lizenzverträge gibt, die man als Muster nehmen könnte.

Nur einen Klick weiter verstehe ich ein zweites Mal die Welt nicht mehr: Der Installer kennt schlichtweg nicht den Pfad, in dem der Microsoft Flight Simulator X installiert ist! Dabei müsste der Installer doch eigentlich nur in der Registry nach dem entsprechenden Eintrag suchen. Das wäre nicht zu viel verlangt und würde Fehleingaben durch Tippfehler vermeiden. Schließlich verrichtet der Installer seine Arbeit…

…nur ungenügend! Hat man den Flight Simulator gestartet, wundert man sich, warum die Dolomiten genauso langweilig wie eh und jeh aussehen. Des Rätsels Lösung: Der Installer hat in beiden Fällen die Szenerie nicht im FSX angemeldet. Das muss nun durch Handarbeit nachgeholt werden. Bei allem Nachsehen, was ein Rezensent für Szeneriedesigner haben kann, aber soetwas ist einfach blamabel. In meinen 13 Jahren als Rezensent habe ich noch nie ein Produkt getestet, das trotz solcher Defizite bei der Installation hinterher noch topp performt hat! Denn hiermit offenbart der Entwickler eigentlich nur, dass er Szeneriedesign toll findet, aber auf Kundenservice am liebsten verzichten würde. Selbstverständlich zähle ich den Installer zum Kundenservice. Denn manch FS-Neuling dürfte Probleme haben, Addons manuell zu installieren. Aus Gesprächen mit Lesern weiß ich, dass das für Viele der eigentliche Grund für den Erwerb von Payware ist.

Wo bitte geht es nach Comelico? Oder nach Alpago?

In beiden Gebieten ist kein Flugplatz und kein Heli-Landeplatz enthalten. Ärgerlich, dass es keine vorgefertigte Situation gibt, mit der man sich in die Szenerie versetzen könnte. Denn so ist schlichtweg Suchen angesagt. Wer keine Lust auf Suchen hat, wird beide Szenerien wohl nie finden…

Auf der Internetseite von Realearth X gibt es einen Flugplatz-Szenerie für Asiago, die sich zwar nicht in einer der beiden hier vorgestellten Szenerien befindet, aber zumindest in der Nähe von Alpago liegt. Knapp 15 Flugminuten entfernt, um genau zu sein. Die Szenerie ist Freeware und somit ein idealer Ausgangspunkt für die Reise in die Dolomiten.

Alpago

Der Flug von Asiago nach Alpago gibt genügend Gelegenheit, das Gebiet in geografischer Hinsicht einzuordnen: Die Region Belluno mit dem Städtchen Alpago liegt direkt unterhalb der Dolomiten an der Abbruchkante der Alpen zur Ebene von Venetien, also gar nicht mehr so weit vom Mittelmeer entfernt.

Schon bald sind die Szeneriegrenzen in Sichtweite. Und mit jedem Kilometer weiter gen Osten wundert man sich, wie klein diese bemessen sind. Bereits aus einer relativ geringen Flughöhe sieht man, wie klein und quadratisch die Szenerie ist. Und ich frage mich, wieso diese kleine Fotoszenerie eigentlich 1,2 Gigabyte groß ist! Es ist mir ein Rätsel, wie es der Designer geschafft hat, die Screenshots auf der Produktseite im simMarket ohne sichtbare Szeneriegrenzen aufzunehmen.

Okay, vielleicht liegen die Details ja im Verborgenen? Schnell ist jedenfalls klar, dass die Szenerie nicht mit einer Cessna erkundet werden kann: Sie würde viel zu schnell fliegen. Ein Hubschrauber oder ein Ultraleichtflugzeug eignen sich daher viel besser. Und siehe da: Ja, es gibt viele Details in der Szenerie, die es zu erkunden gilt. Besonderes Augenmerk gilt dem Meshterrain, das sehr hoch aufgelöst ist: Alle 2,50 Meter gibt es einen neuen Höhenpunkt im Koordinatensystem. Das ergibt einen verblüffend plastischen Gesamteindruck, der die Dolomiten zu einer noch nie zuvor dagewesenen Detailfülle zum Leben erweckt.

Alpago setzt sich aus vielen kleinen Dörfern zusammen, die oft nur aus ganz wenigen Häusern bestehen. Dazwischen stehen immer wieder Bauernhöfe und, je höher man kommt, Almen. An verschieden Punkten in den Dörfern sieht man kleine Autos stehen, hier und dort sogar Straßenlaternen. Im Grunde genommen steht diese Detailverliebtheit in einem gewissen Gegensatz zur Autogenabdeckung: Die Autogendichte ist zwar bemerkenswert dicht und nahezu jedes Häuschen auf dem Luftbild wurde mit seinem 3D-Pendant „bepflanzt“, aber es bleibt einfach beim „nahezu“. Deswegen sieht es manchmal komisch aus, wenn in einer Straße zwar Straßenlaternen stehen, aber „nur“ jedes zweite Haus dreidimensional vorhanden ist. Die Auflösung des Luftbildes beträgt 0,5 Meter pro Pixel. Mehr als genug also, um viele Details zu erkennen.

Die Szenerie verfügt über saisonale Texturen für alle Jahres- und Tageszeiten, so der Hersteller. Das ist ein bißchen gelogen, denn Frühling und Sommer haben schlichtweg die gleichen Texturen und im Herbst ist der Boden einfach nur braun eingefärbt. Insbesondere in den Übergangsjahreszeiten wäre es klasse gewesen, wenn es tatsächlich eigene Luftbildaufnahmen geben würde: Man stelle sich Schnee auf den Bergen vor und saftiges Grün in den Tälern. Von allen Jahreszeiten sind übrigens im Herbst die Texturen am stimmigsten und tragen sehr viel zu einer realistischen Atmosphäre bei.

Comelico

Das Szeneriekonzept von Comelico entspricht dem von Alpago. Die Szenerie ist also recht klein und eignet sich zum Befliegen nur mit einem Helikopter oder einem langsamen Ultraleichtflugzeug. Dass die Szenerie klein ist, offenbart natürlich bereits ein Blick auf die Produktseite im simMarket. Zumindest, wenn man sich die Mühe macht, die angegebene Region auf der Landkarte zu suchen. Ansonsten sucht man eben die Dolomiten nach dem Flecken ab.

Landschaftlich gefällt mir persönlich Comelico ein bißchen besser als Alpago, doch das kann natürlich nicht objektiv gemessen werden. Die Dolomiten sind per Definition ein schöner Landstrich… Die FSX-Szenerie hat aber einen riesengroßen Nachteil: Sie ist nicht quadratisch. Ein kleines Stück der ohnehin kleinen Szenerie ragt ziemlich weit in die Default-Szenerie hinein, so dass diese praktisch aus jedem Blickwinkel sichtbar ist.

Genauso wie auch in der Szenerie für Alpago ist die Herstellerangabe zu den saisonalen Texturen falsch: Die Luftbilder sind für Frühling und Sommer identisch. Im Herbst sind diese bräunlich eingefärbt. Eigene Luftbildaufnahmen für die Jahreszeiten gibt es somit nicht. Nichtsdestotrotz strahlt die Szenerie im Herbst besonders viel Charme aus. Beinahe möchte man die Wanderschuhe anziehen und in Echt durch diese wunderschöne Natur laufen.

Fazit

11,90 € für eine der beiden Szenerien – gemessen an der Gegenleistung geht das völlig in Ordnung. 11,90 € sind nicht viel Geld für hoch aufgelöste Luftbildaufnahmen mit Autogen und einem detaillierten Meshterrain. Doch leider sind die Szenerien sehr klein… Sie liegen auch nicht direkt nebeneinander, so dass man beim Kauf von beiden Szenerien ein größeres Gebiet erfliegen könnte. Hoffentlich ändert sich das mit dem Erscheinen weiterer Szenerieteile. Negativ ist auch, dass die Szenerien gar nicht direkt angesteuert werden können. Es gibt weder einen Flugplatz noch einen Hubschrauberlandeplatz, den man aus dem FSX-Menü heraus als Startpunkt laden könnte. Selbst eine vorgespeicherte Situation gibt es leider nicht! Hinzu kommt der lausige Installer, der für Paywareverhältnisse viel besser sein könnte.

Helikopter-Piloten werden sicherlich ihre Freude an den Produkten haben, Tragflächen-Fliegern sei angesichts der geringen Größe vom Kauf abgeraten.

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Holger Kistermann