Interview mit Captain Joe

Wie angekündigt, starten wir mit diesem Interview unsere monatliche Kolumne “Frag Captain Joe”, die ab November an jedem ersten Freitag des Monats erscheinen wird. Wir wollten es uns natürlich nicht nehmen lassen und haben Joe zum Interview geladen.

Wir haben Dich ja schon im unserer Ankündigung ausführlich vorgestellt. Warum hast den Zahntechniker “an den Nagel gehängt” und bist Pilot geworden?

Ich bin in einer Zahnarzt Familie aufgewachsen und kenne die Vor- und Nachteile des Berufs. Mein grösste Sorge war die Monotonie des Berufs und ich konnte mir nicht vorstellen das mein Leben lang zu machen. Fliegen ist wesentlich spannender!

Die Insolvenz von AirBerlin war sicher sehr bewegend für Dich? Wie war Dein letzter AB Flug, was hat sich für Dich dadurch verändert?

Meine letzte Landung mit der Airberlin war in Catania/Sizilien. Ich hatte eine tolle Crew dabei und zwei Freunde von mir waren auch noch mit an Bord. Demnach war mein letzter Flug gar nicht mal so emotional. Aber nach dem letzten Airberlin Flug von München nach Tegel waren am darauf folgenden Tag die ATC Konversationen auf Youtube zu hören/sehen, da liefen die Tränen schon runter! Ich habe diese Firma geliebt!

Was war für Dich die größte Herausforderung bei der Umstellung von der A320-Familie auf den Jumbo? 

Ich hatte zu Beginn etwas Sorge bezüglich der Trimmung. Nach acht Jahren auf der A320, mit Auto-Trim, kann man das schon „verlernen“. Nach 2 Minuten im Simulator war alles wieder beim alten. „Flieg das Ding wie eine Cessna“ hat der Instructor gesagt. Ein grosser Unterschied jedoch ist die Trägheit des Jumbos. Wenn man in 500 Fuss nicht genau auf die Centerline zufliegt, können Korrekturen, die in der A320 problemlos waren, auf der 747 auch mal schnell zu einen Go-Around führen!

Wie siehst Du die Zukunft der Luftfahrt? Das Thema Corona lässt sich ja auch hier nicht ausblenden und davor hat es ja auch schon an einigen Ecken geknirscht?

Ich bin glücklicherweise so gut wie gar nicht von der Corona Pandemie betroffen. Im Gegenteil, die Cargo-Fliegerei boomt förmlich, ich fliege so viel wie noch nie!
Jedoch meine persönliche Meinung: Die Fliegerei wird sich von dieser Krise wieder erholen, da bin ich mir sicher, doch es wird ein paar Jahre dauern.

Fliegst Du auch privat? Welche Flugzeuge bist Du bereits geflogen – welche Muster (ob historisch oder aktuell, ob groß oder klein) würden Dich reizen?

Ich fliege gelegentlich noch privat, möchte jedoch wieder mehr in Kleinflugzeugen unterwegs sein. Die Liste der Flugzeuge die ich schon geflogen bin ist sehr lang. Von der Pilatus Porter, zu Beech King Air, Christian Eagle, Extra 300 uvm. Jedoch eine, mein absolute Wunschtraum, fehlt noch: Die Supermarine Spitfire! Aber da ist schon was geplant!

Hand aufs Herz: steigst Du jeden Tag mit Spaß und Freude ins Cockpit oder ist es “ein Bürojob mit toller Aussicht”?

Wenn nicht, hätte ich mir schon längst einen anderen Job gesucht! Man ist für sich selbst verantwortlich wie man sein Leben bzw. Tag gestaltet. Ich freue mich auf jeden Flug den ich antrete und sicher abschließe! Jeder Flug ist anders, vor allem auf der Langstrecke.

Du hast ja bereits einige Videos mit dem Microsoft Flight Simulator gemacht. Was hat Dich motiviert, in die Flugsimulation einzusteigen? War das schon immer ein Hobby?

Ein sehr guter Freund und Flugzeugmechaniker hat mich zu sich nach Hause eingeladen um einen Simulator Flug mit ihm zu operieren. Wir haben diesen Flug so Realitätsnah wie möglich versucht zu gestalten. Mit Loadsheet, Boarding, ATC, Live Wetter usw. Ich war davon so begeistert das ich ihn gebeten habe mir einen Simulator Computer zusammen zustellen, dass ich selbst solche Flüge durchführen kann. Nun nutze ich den Simulator als Procedure Trainer, zum Beispiel um Anflüge zu üben an Airports wo wir sehr selten anfliegen und natürlich um Youtube Videos zu erstellen.

Hat es einen Mehrwert für reale Piloten, sich mit einem Flugsimulator am heimischen PC auseinander zu setzen und bringt es jungen Menschen etwas, die in die reale Fliegerei einsteigen wollen?

Absolut!!! Ich wünschte ich hätte so ein tolles Tool für 15 Jahren gehabt. In meinen Augen ist ein Flugsimulator kein Spiel, sondern ein reines Trainingstool, wenn man es entsprechend anwendet. Daher sieht man in meinen Videos immer wie ich Checklisten anwende um dem echten Fliegen so nahe wie möglich zu kommen. Das ist mit Abstand die beste Vorbereitung für jeden der vom Job im Cockpit träumt! Ohne Checklist geht es auch, aber der Lerneffekt in meinen Augen ist relativ gering.

Es gab mal den Spruch, ein Simulatorflieger würde vielleicht bei guten Bedingungen den Airliner landen können, würde aber an der Sitzverstellung scheitern. Mit anderen Worten: es gibt abseits dessen, was wir am PC simulieren können und müssen noch einiges zu tun im Cockpit. Was fehlt uns da?

Force Feedback! Ich habe vor Jahren einen Freund von mir, der nur PC-Flugsimulatoren fliegt, mit in einen Full-Flight-Simulator genommen (Boeing 737). Er kannte sich richtig gut aus bezüglich der Systeme, Checklisten usw. jedoch als es dann ans Fliegen ging hatte er ziemlich mit der Trimmung und dem Steuerdruck zu kämpfen. Er konnte den Flieger landen, jedoch nur unter reichlich Anweisung von meiner Seite. Trotzdem war ich erstaunt wie viel er über das Flugzeug gelernt hatte, nur anhand des Flugsimulators auf seinem PC.

Diejenigen die schon länger Deine Videos schauen, würden sicher gerne wissen, woher Du Deine Montags-Motivationssprüche hast?

Ich arbeite immer an mir selbst, versuche mich immer weiter zu verbessern und weiter zu entwickeln. Da kommt man an „Self-Help-Books“ nicht vorbei. Da kommen die Sprüche her!

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Phil
Phil
3 Jahre zuvor

Sehr interessantes Interview.